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Frühjahrssemester 2013 ETH-Zürich

Is East East and West West? West-Ost-Beziehungen in zeitgenössischen arabischen Romanen.

Das Motto ist der berühmte Beginn von The Ballad of East and West von Rudyard Kipling, der die Unvereinbarkeit ebenso infrage stellte, wie sie in der Vorlesung am Beispiel der Darstellungen von West-Ost-Beziehungen in zeitgenössischen arabischen Romanen infrage gestellt werden soll. Es geht also nicht um literarische Stil- oder Formfragen, sondern um Inhaltliches.
Als Ausgangspunkt dient das Buch Ein Muslim entdeckt Europa des Ägypters Rifâ’a al-Tahtâwi, der in den 1820er Jahren als Studentenbetreuer in Frankreich, besonders in Paris, weilte. Er bringt offen und interessiert seine Beobachtungen aus allen Bereichen zu Papier: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Technik, Wissenschaft, Kultur, und er empfiehlt einiges zur Nachahmung im Niltal, von anderem rät er ab. Das war zu einer Zeit, als man in Europa dem Orientrausch frönte und / oder die wirtschaftlich-politisch-militärische Beherrschung auch der arabischen Welt „vorbereitete“, als man ausserdem langsam in den Diskurs von der Minderwertigkeit (der Bevölkerung) anderer (d.h. aussereuropäischer) Regionen eintrat (z.B. Erörterungen über „the oriental mind“).
In der Folge haben sich arabische Haltungen „dem Westen“ gegenüber diversifiziert und vielfach verändert – immer in Beziehung zum ständig wachsenden Einfluss der Europäer (später der Amerikaner) auf die Region und ihren Diskurs über dieselbe. Diese Einflüsse haben Mitte / Ende des 19. Jh. praktisch alle Bereiche des individuellen und gesellschaftlichen Lebens erfasst.
Die Konfrontation von Individuen mit diesen vielfältigen Einflüssen, die zu einer tiefen Infragestellung und Veränderung überkommener Lebens- und Denkweisen führten und weiterhin führen, ist, in unzähligen Varianten, DAS Thema der modernen und zeitgenössischen arabischen Literatur, die, wie andere Literaturen, sensibelster Seismograf auch der allerfeinsten menschlichen oder gesellschaftlichen Regungen ist.
Die Veränderung der Dörfer und der Städte, der Produktions- und der Anbauweisen, der Apparaturen und der Prozeduren, der Familien und des Zusammenlebens, der Strukturen von (Aus)Bildung und Weltsicht, der Vorstellung von Nation, Staat, Herrschaft, ja, auch Religion, usw.: all diese Veränderungen gehen auf „den Westen“ zurück. Sie verlangen von den damit Konfrontierten eine Auseinandersetzung. Die Literatur der arabischen Länder von Marokko bis Irak ist voll davon.
Der Student, der zum Studium nach Europa/Amerika geht und dann wieder zurückkehrt, erlebt zweimal einen Kulturschock. Zunächst, wenn er die westlichen Lebensweisen und Wissenschaft kennen lernt, dann bei seiner Rückkehr, wenn er die „Zurückgebliebenheit“ wieder findet. Die Dorfgemeinschaft lehnt sich auf gegen das Fällen einer Palme, die einer Wasserpumpe Platz machen soll. Die Neustadt bietet Glimmer, Glitzer, Fortschritt und Verführung und setzt sich dadurch von der Altstadt mit ihrer Wärme, Geborgenheit und ihrem Muff ab.
Die Darstellungen der Konfrontation von Alt und Neu, von Modernität und Tradition, von Geborgenheit und „Geworfen-sein“ sind unzählige.

 
 
 
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