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Der
Autor und sein Werk:
Auch Muhammed al-Bissati hat "seinen" Ort. Es sind die Dörfer
und Kleinstädte rund um den Mansala-See, ja, es ist zum Teil auch
der See selbst, eine fischreiche Brackwasserlagune im Nordosten des Nildeltas,
seit Jahren Gegenstand von Trockenlegungs- und Landgewinnungsprojekten.
Dort, in al-Gamalîja in der Provinz Dakahlîja, ist Muhammad
al-Bissati (al-Bisâtî) am 19. November 1937 geboren. Jedoch
hat er den Ort und die Region schon als junger Mann verlassen und ist
zum Studium der Betriebswirtschaftslehre nach Kairo gegangen. Nach dem
Abschluss hat er in der ägyptischen Hauptstadt am Rechnungsamt eine
Beamtenkarriere durchlaufen. Nur in den 80er Jahren verliess er Ägypten
für einige Jahre, um in Saudi-Arabien zu arbeiten. Dieser Aufenthalt
hat aber bei ihm nicht, wie bei anderen Autoren, literarischen Niederschlag
gefunden. Muhammad al-Bissati lebt, inzwischen pensioniert, noch immer
in Kairo.
Seine erste Sammlung mit Kurzgeschichten veröffentlichte Muhammad
al-Bissati im Jahre 1968. Dieser folgten seither, mit einer längeren
Unterbrechung in den 80er Jahren, über ein Dutzend Sammlungen von
Erzählungen und kurze Romane. Für den 1994 erschienenen Roman
"Lärmender See" erhielt Muhammad al-Bissati im selben Jahr
in Ägypten den Preis für den besten Roman. Für sein gesamtes
erzählerisches Werk wurde er im Jahr 2000 mit dem in Dubai verliehenen
Sultan-Uwaiss-Preis, dem "arabischen Nobelpreis", ausgezeichnet.
Muhammad al-Bissati hat Anfang der 60er Jahre begonnen, Kurzgeschichten
zu schreiben. Er ist also Teil der sogenannten "Generation der 60er
Jahre", d.h. denjenigen Autoren und Autorinnen, die parallel zum
Zusammenbruch der Nasserschen "Realität" daran gearbeitet
haben, die ägyptische Literatur von ihrem bisherigen Realismus, sei
dieser nun "klassisch" oder "sozialistisch", zu befreien.
Man war auf der Suche nach einem neuen Stil oder besser nach neuen Stilarten.
Es begann die Zeit der "Entlarvung" sich als leer und hohl entpuppender
staatlicher Rhetorik, eine literarisch sehr vielfältige Zeit.
Muhammad al-Bissati gehört untrennbar zu jener Zeit. Sein Schreiben
ist bis heute ein ständig neuer Versuch, Unsicherheiten und Gefährdungen
des menschlichen Lebens darzustellen. Realist zu sein, drauf besteht er,
doch ist sein Realismusbegriff gegenüber demjenigen vor den 60er
Jahren stark erweitert. Zwar verlässt er nur selten den Rahmen des
in der gegenständlichen Welt Möglichen oder Wahrscheinlichen
- wenn er beispielsweise einen Ich-Erzähler bei seiner eigenen Beerdigung
sich erinnern oder, wie im vorliegenden Roman, eine allwissende Gestalt
auftreten lässt, deren Einsichten den anderen einen Schauer über
den Rücken jagen. Aber was ihm an seinen Schilderungen der sichtbaren
Welt wichtig ist, das ist das oft Unsichtbare, auch das Unsagbare: Blicke,
die Einverständnis ausdrücken; Gesten, die Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit
andeuten; auch Stimmungen, die auf Unsicherheiten hinweisen.
(aus
dem Nachwort von: M. al-Bissati, Häuser hinter der Bäumen [erscheint
im Frühjahr 2005])
Leseprobe
(PDF)
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