|
Der Autor:
Der Jordanier Munis al-Rasâs (195-2002) war einer jener Autoren,
denen die Frustration mit der arabischen Einheit, der Diskrepanz zwischen
den grossen Worten und den kläglichen Taten zum zentralen Thema geworden
ist. Er musste persönlich miterleben, wie die Ideen und Versprechungen,
die im Zusammenhang mit der frisch gewonnenen Unabhängigkeit in der
arabischen Welt entwickelt worden waren, sich nach und nach als Schall
und Rauch erwiesen. Die Träume von der Entwicklung der politisch-gesellschaftlichen
Realität zum Besseren, wurden, weil eine solche Entwicklung nicht
erfolgte, abgelöst durch Träume, die einer realistischen Basis
entbehrten. Die Figuren, die Munis al-Rasâs in seinen etwa zehn
Romanen schafft, sind mehrheitlich Intellektuelle, die mit dieser Situation
nicht fertig werden. Sie leiden oft unter unmittelbarer Repression und
Demütigung oder sie haben da und dort das Treiben der Machthaber
aus der Nähe kennen gelernt und glauben nicht mehr an eine bessere
Zukunft. Sie bauen sich Traumwelten, versacken in der Drogen-, einschliesslich
Alkoholwelt und werden in unterschiedlicher Weise zu seelischen Wracks,
ein Auseinanderbrechen, das sich auch in der Form der Romane spiegelt.
Der Roman:
Der kleine Roman aus dem Jahre 1994, "Die Splitter und das Mosaik"
(al-Schasâja wal-fussaifissâ) ist hier exemplarisch. Es ist
ein völlig aufgesplittertes oder zerrissenes Stück Prosa. Seine
134 Seiten bestehen aus 37 Splittern, 31 Mosaiken und ein paar zusätzlichen
Berichten. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der aus der
"Hölle von Beirut" nach Amman zurückkehrt, um dort
ein ruhiges, friedliches Leben zu führen, das Leben eines "vierzigjährigen
Rentners" in einer "Rentnerstadt". Gleich nach dieser Rückkehr
leben zwei Personen die Geschichte weiter, die beide ihre Version und
ihr Tun darstellen. Dabei unternimmt der eine verschiedene Versuche, seinem
Leben einen Sinn abzugewinnen, während der andere eine unheilbare
emotionale und intellektuelle Lähmung offenbart. Sie sind zwei Teile
einer Person, hoffnungslos zerrissen; sie sind, wie es im Titel eines
anderen Werkes heisst, "zwei Hüte und ein Kopf".
Am Schluss lassen sich die verschiedenen Teilchen des Werkes nicht eigentlich
zu einem kohärenten Bild zusammensetzen. Das wäre für Munis
al-Rasâs billige Romantik. Das Bild, das bleibt, ist das einer völlig
zertöpperten Welt. Ordnung gibt es hier keine, und die Figuren gehen
daran zugrunde.
Das grosse Projekt von der Einheit und dem Fortschritt für die arabische
Welt, das jahrzehntelang Menschen beflügelte, ist in höchst
desolatem Zustand, der sich als individuelles Leiden manifestiert. Nicht
viele arabische Autoren haben dieses Leiden so pointiert dargestellt wie
Munis al-Rasâs.
Leseprobe
(PDF)
|